BVJ Dünkelmann: „Unsere Konkurrenz von heute ist die Outdoor-Küche!”

Sinkende Frequenzen in den Innenstädten? Mit den Kernkompetenzen die Kunden begeistern. © claudenakagawa/ Shutterstock.com

Joachim Dünkelmann, Geschäftsführer des Bundesverbands der Juweliere, Schmuck- und Uhrenfachgeschäfte über Strategien für ein erfolgreiches Morgen. Im Interview streicht er heraus, weshalb die Konzentration auf die Kernkompetenzen keine schlechte Idee ist, wie überbordende Bürokratie lähmt und weshalb gerade jetzt die Gewinner von morgen auf den persönlichen Kundenkontakt zählen.



BLICKPUNKT JUWELIER (BPJ): Inflation, Energiekrise und Lieferschwierigkeiten und damit verbunden ein real sinkendes verfügbares Einkommen sorgen für schlechte Stimmung. Kaufentscheidungen fallen sehr bewusst. Wie ist es um die Branche bestellt?

JOACHIM DÜNKELMANN (JD): Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands machen Wirtschaftsforscher nicht gerade Mut. Zusätzlich gibt sich im Moment die deutsche und europäische Politik wirklich alle Mühe, Verunsicherung zu schüren. Wenn es in unserer Branche tatsächlich darum ginge, hätten wir im Moment schlechte Karten.

BPJ: Wie schätzen sie die Situation dann ein?

DÜNKELMANN: Die Uhren- und Schmuckbranche ist nicht zwingend von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Also würde ich den Teufel nicht an die Wand malen, sondern weiter auf die Kreativität der Juweliere und die Attraktivität unserer Produkte setzen. Denn das vergangene Jahr verlief ähnlich wie jenes während der Bankenkrise. In Europa brach Krieg aus, die Energiepreise explodierten und die Inflation galoppierte. Und wir? Wir verzeichneten ein Umsatzwachstum von über 20 Prozent. 

BPJ: Sprich es ist Jammern auf hohem Niveau? 

DÜNKELMANN: Es heißt nicht umsonst „Jammern ist der Gruß des Kaufmanns“. Natürlich hilft es mir heute nicht, wenn ich im vergangenen Jahr ein gutes Geschäft hatte. Wir bewegen uns allerdings noch immer auf einem sehr hohen Niveau. Nach den ersten Halbjahreszahlen liegen die Umsätze etwa zwischen zwei und drei Prozent unter dem Vorjahr. Das Vorjahr war jedoch wirklich bombastisch. Derzeit schwächeln vor allem die Uhren, während sich der Schmuckbereich und die Dienstleistung relativ stabil zeigen. Es sind wohl eher der Kostendruck, der Fachkräftemangel und die überbordende Bürokratie, die den Unternehmen derzeit die Laune verhageln. 

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BPJ: Ist nicht gerade die jetzige Situation auch eine Chance?

DÜNKELMANN: Das Gebot der Stunden ist aus meiner Sicht die Konzentration auf ertragreiche Geschäftsfelder und das Trimmen aller Teile des Unternehmens auf Wertschöpfung. Bei einer sauberen Analyse der Sortimentsentwicklung, der Preisklassen und der einzelnen Marken, lassen sich immer wieder Stellschrauben hin zu mehr Spanne finden. Ebenso verändern Lieferanten sich und ihr Verhalten, weshalb man auch große Namen einmal hinterfragen darf.

BPJ:  Gibt es genügend Lieferanten am Markt?

DÜNKELMANN: Wir haben tatsächlich keinen Mangel an Lieferanten oder Alternativen. Es schwingt hier vielmehr der bestmögliche Einsatz meines Personals im Sinne des Unternehmenserfolgs mit. Etwa dahingehenden, dass ich hochqualifizierte Angestellte nicht mit Zeitfressern und Spannenkillern beschäftige.

BPJ: Was meinen Sie konkret?

DÜNKELMANN: Ich meine damit nicht nur die Ressourcen, die in schlecht kalkulierte Ware fließen, sondern auch die häufigen Preisdiskussionen bei einzelnen Marken oder bei Lieferanten mit häufigen Reklamationen. Das alle frisst Zeit und Geld.  

BPJ: Wo sehen sie die größten Hürden in der aktuellen Situation?

DÜNKELMANN: Der Unternehmer ertrinkt in immer neuen Vorschriften, Richtlinien, Berichtspflichten und einer unendlichen Bürokratie. Wir brauchen mehr Freiheit für Unternehmertum und eine angemessene Unterstützung für die außerordentlichen Belastungen, die die Betriebe durch Kostenexplosionen und Inflation schultern müssen. 

BPJ:  In den vergangenen wirtschaftlichen Schieflagen waren jene Unternehmen und Unternehmer Gewinner, die sich nicht versteckt haben und die Initiative ergriffen haben. Wer sind die Gewinner von heute?

DÜNKELMANN: Bei einer sinkenden Frequenz in den Innenstädten kommt es darauf an, jeden einzelnen Kunden zu begeistern. Was die Erfolgreichen von heute daher eint ist die Erkenntnis, dass das Einkaufserlebnis im Geschäft das entscheidende Differenzierungsmerkmal ist. Sie stellen den Kunden in den Mittelpunkt und direkt dahinter die Mitarbeiter. Denn weiß der Kunde, was er an seinem Juwelier hat und die Erwartungshaltung wird noch durch kompetente und empathische Mitarbeiter übertroffen, dann sind beide Gewinner. Deshalb muss man in die Kundenkommunikation und die Mitarbeiter gleichermaßen investieren. 

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Den Konsumenten dort abholen, wo er sich informiert. © Toranico/ Shutterstock.com

BPJ: Ihr Tipp für einen ersten Schritt?

DÜNKELMANN: Der Kollege um die Ecke ist schon lange nicht mehr der Wettbewerber. Unsere Konkurrenten sind der nächste Urlaub, der neue Whirlpool, die Outdoor-Küche im Garten – oder manchmal auch der eigene Lieferant. Wir sollten uns deshalb darauf konzentrieren, den Konsument da abzuholen, wo er ist und wo er sich informiert.  

 BPJ: Wie ist Ihr Ausblick auf das laufende und das kommende Jahr?

DÜNKELMANN: Wenn wir mit ein paar Prozent Minus aus diesem Jahr rauskommen, ist das kein schlechtes Ergebnis. Nach aktuellem Stand liegen wir wie gesagt zwei bis drei Prozent unter dem Vorjahr. Wir würden uns damit auf einem Niveau bewegen, das noch immer deutlich über dem Jahr 2019 liegt. Eine Prognose darüber hinaus halte ich jedoch Stand heute für nicht seriös.

BPJ: Wie wird sich die Branche verändern?

DÜNKELMANN: Wir haben den Rhythmus und die alten Gesetzmäßigkeiten verloren. Die Planbarkeit war noch nie so schlecht wie heute. Prognosen sind schwieriger denn je. Größtmögliche Flexibilität und Konzentration auf die Kernkompetenzen sind deshalb keine schlechte Idee.

BPJ: Welchen Zug sollte die Branche nicht verpassen?

DÜNKELMANN: Den, der zur nächsten Fachmesse fährt. Der Dialog mit Lieferantenpartnern, Kollegen und die Inspiration dort waren noch nie so wichtig wie heute.     


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