(Teil 2) Wer im Aufmerksamkeits-Dschungel überlebt

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Künftig erhält der Juwelier Auszeichnungen für einzelne Kompetenzbereiche, auf die er sich spezialisiert hat. In anderen Branchen ist der Spezialisierungsgrad weiter fortgeschritten und hat zu einer gestiegenen Attraktivität und zu höheren Verdienstmöglichkeiten geführt.

(Teil 2) Je mehr Informationen auf einen hereinprasseln, desto eher schaltet der Kopf ab. Was nimmt man wahr? Nur das, was wirklich persönlich relevant erscheint. Wen nimmt man wahr? Den Spezialisten. Deswegen gibt es künftig nicht mehr den „Schmuck-Spezialisten“, sondern den „Farbedelstein-Experten“ oder den „Diamantschmuck-Experten“. 



Vergleich 3: Der Autohändler

Früher hat der Autohändler sein Geld mit dem Verkauf von Autos verdient. Heute ist seine Kalkulation sehr viel gemischter. Peu á peu haben die Autokonzerne den Margensatz beim Neuwagenverkauf reduziert. Erste Folge war weniger Rabatt für die Käufer. Zweite Folge war der Ausbau der Service-Leistungen. Die Werkstätten wurden zertifiziert und durften dann „Originalteile“ verkaufen. Damit dies vom Hersteller genehmigt wurde, mussten die Werkstätten und ihre Mitarbeiter ein definiertes Niveau erreichen.


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Geschäftskonzept auf dem Prüfstand: Sind Autovertragshändler noch Herr im eigenen Haus? Viele Marken schreiben vor, wann und wie umgebaut werden muss.

Aus Sicht der Marken – dieses Vorgehen ist längst auch in unserer Branche realisiert – steht die Qualitätssicherung hinter allem. Je höher das Image der Marke, desto höher sind die Ansprüche der Marken an den Händler. Heute entscheidet Audi, wie der Verkaufsraum aussieht, wie und wann er modernisiert wird und welche finanziellen Unterstützungen der Händler dafür erhält. Gleiches gilt für Schulungen der Mitarbeiter.

Kontinuierlich nimmt die Zahl der freien Marken-Autohändler ab. Alarmierende Zahlen hatte eine Studie der Unternehmensberatung e&Co geliefert. Hatte es 2000 in Deutschland noch etwa 18.000 Autohäuser gegeben, so sank diese Zahl im Jahr 2020 auf 4.500. Zentrale Ursachen laut Studie: massiver Wettbewerbsdruck zwischen den Herstellern und die gestiegenen Erwartungen internetaffiner Käufer. Hinzu kommt eine starke Expansionsstrategie der großen Automobilhandelsgruppen in den letzten Jahren. Sprich: Die Ansprüche von Marken und Konsumenten sind so stark gestiegen, dass ein Einzelunternehmer kaum noch folgen kann und bestenfalls eine sichere Zukunft in der Filialisierung sieht. Laut Deloitte-Studie von 2019 werden im Autohandel die Gewinne aus dem Verkauf von Fahrzeugen bis 2035 um 53 % sinken. Zukunftsthemen sind laut Studie: Finanzdienstleistungen oder Mobilitätsdienstleistungen (besondere Fahrzeuge oder Shuttle-Services zu Zeiten, in denen die Kunden mobil sein wollen). Der Markt der E-Autos wird aus Sicht der Autohäuser kritisch gesehen, da E-Autos weniger Wartung und Reparatur benötigen.

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(Teil 1) Nur der Experte wird wahrgenommen

Wen nimmt man wahr? Den Spezialisten. Deswegen gibt es künftig nicht mehr den „Schmuck-Spezialisten“, sondern den „Farbedelstein-Experten“ oder den „Diamantschmuck-Experten“. 

Vergleich 4: Der Arzt

Der Arzt gehört neben dem Bürgermeister zu den angesehensten Berufsgruppen. Er ist unantastbar. Dies liegt nicht nur daran, dass er studiert hat und seine eigene Sprache spricht. Dem Arzt vertraut man das Wichtigste in seinem Leben an, die Gesundheit. Dabei ist der menschliche Körper dermaßen kompliziert, dass es Spezialisten gibt. In jedem wichtigen Fachgebiet gibt es Aufbaustudiengänge zum Facharzt. Im Vergleich zum Allgemeinmediziner genießt der Spezialist ein noch höheres Ansehen.

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Hausarzt oder Schönheitschirurg? Je nach Spezialisierungsgrad ändern sich auch stark die Verdienstmöglichkeiten.
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Arzt ist nicht gleich Arzt.

Luxusuhren legen Messlatte immer höher

Auch beim Juwelier-Kunden gibt es Spezialinteressen. Den höchsten Grad der Spezialisierung gibt es bei Luxusuhren. Seine Schweizer Markenuhr wird man nicht unbedingt zu seinem Lieblings-Goldschmied geben – auch wenn er einen befreundeten Uhrmacher kennt oder die Uhr beim Hersteller einschicken will.

Omega will’s wissen

Eine zertifizierte Werkstatt für Schweizer Uhrenmarken zu betreiben, ist ein Business für sich. Die Ansprüche sind hoch und werden systematisch von den Herstellern erhöht. Beispiel Omega. Werkstätten des ersten Zertifizierungs-Levels dürfen Bänder wechseln, die des zweiten Levels auch am Gehäuse arbeiten. Dazu wird die Werkstatt mit Ersatzteilen wie Gläser, Kronen, Drückern oder Dichtungen beliefert. Erst im dritten Level darf man sämtliche Arbeiten an der Uhr durchführen und erhält Werkteile geliefert.

Erst COSC, dann METAS

Auch der Spezialisierungsgrad der neuen Uhren selbst schreitet systematisch voran. Seit 2015 gibt es bei Omega über die COSC-Chronometer-Zertifizierung hinaus das METAS-Zertifikat, das nur echte „Master-Chronometer“ bekommen und bis 2023 Standard für alle Chronometer werden soll. Die zertifizierten Uhren sind mit Co-Axial-Hemmung bestückt und bis mindestens 15.000 Gauß amagnetisch. Jede Uhr durchläuft nach seiner COSC-Zertifizierung noch einen achtstufigen METAS-Test, der bei Omega durchgeführt, aber von METAS kontrolliert wird. Klar, ein „Allgemein-Juwelier“ kann hier nicht mithalten, so wenig wie eine freie Autowerkstatt ein Analyse-Lesegerät für einen aktuellen Mercedes-Benz erhält.

Mehr Chancen beim Schmuck

Beim Schmuck ist mehr drin. Sicherlich wird der Goldschmied an eine Wellendorff-Kordel, eine Jörg-Heinz-Schließe oder einen Niessing-Spannring ungern Hand anlegen. Insgesamt gesehen aber ist der Gestaltungsspielraum beim Schmuck ungleich höher als bei Uhren. Ebenso können Wissen, Werkzeuge oder Materialien markenunabhängig genutzt werden. Die Expertise, die sich ein Juwelier für ein besonderes Schmuck-Gebiet aneignet, gehört ihm. Deswegen gibt es ab jetzt Auszeichnungen für Kompetenz-Bereiche beim Juwelier, beispielsweise den „Farbedelstein-Experten“ oder den „Diamantschmuck-Experten“. Mehr dazu lesen Sie in dieser Sonderpublikation.

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(Teil 1): Nur der Experte wird wahrgenommen
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